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Schlussfolgerungen und Entwicklung nach dem 17. Juni 1953 / RFN - Schmalband-Richtfunknetz
Das in Verantwortung des ZK der SED geführte Schmalbandrichtfunknetz (kurz RFN) ist ein Ergebnis von Schlussfolgerungen aus dem „Volksaufstand“
vom 17.Juni 1953 in der DDR. Bürger gingen auf die Straße, streikten, protestierten und demonstrierten, forderten politische und wirtschaftliche Refor-
men. Maßnahmen der Regierung wurden als gegen das Volk erkannt und Forderungen der Werktätigen wurden ignoriert. Arbeitsnormen waren uner-
füllbar nach oben geschraubt. Das Ergebnis waren landesweite Streiks, Arbeitsniederlegungen und Angriffe gegenüber staatlichen Institutionen und Be-
hörden. In die Geschichte sind die Ereignisse als „Volksaufstand“ eingegangen, der von der Sowjetarmee gewaltsam niedergeschlagen wurde. Die junge
Republik, korrekter formuliert, ihre Führung hatte Führungsprobleme, beeinflusst durch streikende Mitarbeiter der Deutschen Post in Ämtern und Über-
tragungsstellen. Hinzu kam, dass sich das marode Nachkriegsfernmeldenetz der Deutschen Post labil und ungeeignet für die Führung und äußerst stör-
anfällig erwies. Insbesondere in den Ballungsgebieten von Städten hatten Mitarbeiter der Deutschen Post die Vermittlungs- und Übertragungseinrich-
tungen besetzt und blockierten Verbindungen. Sie nahmen so Einfluss auf die Nutzung der Verbindungswege, auf deren Durchlassfähigkeit und Funk-
tionieren.
Nach „Unten“ delegierte Parteifunktionäre aus Berlin fehlte es an der Möglichkeit ihre Berichte nach „Oben“ zu übertragen. Entscheidungen von „Oben“
erreichten ihre Empfänger nicht. Infolge beschäftigte sich das Politbüro in einer Sitzung am 01.September 1953 ein erstes Mal u.a. mit dem Thema
„Sonderfernsprechanlage der Partei“. Eine solche Anlage oder ein Fernmeldenetz neben dem bestehendem existierte damals nicht. Das Thema als sol-
ches aber orientierte auf eine Auseinandersetzung mit den Kommunikationsproblemen während des „Volksaufstandes“ und den Versuch künftigen Wie-
derholungen entgegen zu wirken. Möglicherweise liegen schon in dieser Auseinandersetzung die ersten Ideen für ein eigenständiges Fernmelde- oder
Sonderfernsprechnetz.
In einer Sitzung am 26.Januar 1954 beschließt das Politbüro die Bildung einer Kommission zur Verhütung bzw. Abwehr besonderer feindlicher Aktionen
oder zur Liquidierung derselben. Notwendige Maßnahmen werden festgelegt und deren Durchführung veranlasst. In der gleichen Sitzung wird be-
schlossen, in den Bezirken der Deutschen Demokratischen Republik und in Berlin Einsatzleitungen in folgender Zusammensetzung zu schaffen: 1. Sek-
retär der Bezirksleitung der SED, Chef der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit, Chef der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei. Aufgabe der
Einsatzleitung in den Bezirken ist es, die Durchführung der zentral festgelegten Maßnahmen bzw. der in eigener Entscheidung getroffenen Maßnahmen
in ihrem Bezirk zu gewährleisten. In den Kreisen sind erforderlichenfalls auf Anweisung der bezirklichen Organe Einsatzleitungen in gleicher Zusam-
mensetzung zu schaffen. Mit dem Beschluss wird der Einfluss der Partei auf die staatliche Ordnung in allen Bereichen gesichert. Die Bezirkseinsatzlei-
tungen erhalten mit dem Befehl 5/ 54 des Ministers des Innern der Regierung der DDR vom 28.Januar, über Maßnahmen zur Abwehr von Angriffen auf
die staatliche Ordnung, die volle Unterstützung durch die Schaffung von Einsatzleitungen bei der Deutsche Volkspolizei.
Damit sind Strukturen geschaffen, deren Führung zu gewährleisten und zu sichern ist. Aus den Ereignissen um den 17.Juni 1953 wurde die Schlussfolge-
rung abgeleitet, dass das marode Nachkriegsfernmeldenetz der Deutschen Post diese Aufgabe nicht erfüllen kann. Ein neues, von störenden Faktoren
unabhängiges Führungsmittel muss geschaffen werden. Autoren von Webseiten sprechen vom Aufbau eines sicheren Kommunikationsnetzes und mei-
nen damit offensichtlich die absolute Abhörsicherheit, die niemals gegeben war.
Am 16.August 1955 beschäftigte sich das Politbüro erneut in einer Tagung mit Fragen der Kommunikation. Das Thema: „Dezimeter- Nachrichtenlage“
(TOP 13). Ein Thema aus dem Gebiet des Richtfunks mit Gerätetechnik kleiner Kanalzahl, zu dem weitere Details bisher unbekannt blieben. Großka-
nalige Richtfunkgeräte konnten seinerzeit in der DDR noch nicht produziert werden. Das für die Produktion von Richtfunktechnik in Frage kommende
Sachsenwerk Radeberg befand sich im Umbruch, wurde 1956 in VEB RAFENA-Werk Radeberg unbemannt und begann mit der Produktion kleinkanaliger
Richtfunkgeräte. Es darf davon ausgegangen werden, das mit dem Beratungsthema die Errichtung des Richtfunknetzes der Partei im Mittelpunkt stand.
Andere Autoren wollen es genau wissen und bezeichnen den Tag der Beratung als Geburtststunde des Richtfunknetzes der Partei.
Für ein solches Netz dürfte ursächlich der weniger umfängliche Material- und Zeitaufwand gegenüber einem drahtgebundenem Kabelnetz gewesen
sein. Infolge der beschränkten Kanalkapazität wurde es auch als Schmalbandrichtfunknetz bezeichnet. Das Netz wurde beginnend in der zweiten Hälfte
der 1950er Jahre errichtet. In der Netzebene 1 wurden Verbindungen zwischen dem Zentralkomitee der Partei in Berlin mit den Bezirksleitungen und in
der zweiten Netzebene die von den Bezirken zu den Kreisleitungen organisiert und hergestellt. In der Netzebene 1 kamen Vorrangig Richtfunkgeräte-
sätze des Typs RVG-934 und in der Netzebene 2 überwiegend RVG-924 aus Radeberg zum Einsatz. Infolge unterschiedlicher Modulationverfahren be-
stand zwischen ihnen keine Kompatibilität. Beide Typen waren werksseitig mit herkömmlichen Glaskolbenröhren der E-Serie und Metall-Keramikröhren
in den UHF- Stüfen bestückt.
In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre integrierte sich die Nationale Volksarmee mit einem eigenen Netz in die Strukturen des Netzes der Partei, was zur
Ausdehnung und zum Anschluss einer Vielzahl von Sonderobjekten im Rahmen zur Vorbereitung des Landes führte. Es waren Kommandos der Teilstreit-
kräfte , Verbände, Truppenteile, Einrichtungen, Führungsstellen und die territorialen Wehrbezirks- und Wehrkreiskommandos. Letztgenannten wurden,
wie gelegendlich zu lesen, keine Richtfunkkanäle aus dem Netz bereitgestellt. Ihr Zugriff auf das Richtfunknetz erfolgte über andere Kommunikations-
wege. Die so nebeneinander arbeitenden und auch Richtfunkmagistralen des Netzes der Partei gemeinsam nutzten wurden am 01.Januar 1984 an die
Deutsche Post übergeben. Gegen Gebühr wurde eine Vielzahl der Richtfunkkanäle von der NVA im Interesse der Landesverteidigung weiter betrieben.
Im August 1990 wurden alle Kanäle gekündigt und die Arbeit eingestellt.
Gelegentlich ist zu lesen, das die Richtfunkgerätesätze vor der Übergabe der Netze an die Deutsche Post durch volltransistorierte Anlagen ersetzt wur-
den. Das entspricht nicht der Wahrheit. Richtig ist, Ende der 1970er Jahre wurde in Eigenleistung begonnen, die Glaskolbenröhren der Betriebsgeräte
(nicht Ersatzgeräte) durch so genannte Transistoradapter zu ersetzen. Ziel war eine Energie- und Wartungskosteneinsparung. Infolge wurde auch die
Transistorierung der UHF- Stufen begonnen.